Vortragstext zur Ausstellungseröffnung im Kunstverein Kirchzarten am 4.11.1984


Thomas Lefeldt
Die Malereiobjekte von Klaus Huneke


Klaus Huneke nennt seine Arbeiten „Malerei-Objekte" bzw. „Malerei auf irregulären Bildträgern". Ich meine, daß sich seine gesamte bildnerische Arbeit mit dem Wort „irregulär“ charakterisieren ließe, und zwar nicht nur hinsichtlich der unregelmäßigen Formen der Bildträger oder der Struktur der Farbbewegungen seiner Malerei, auch nicht im Hinblick auf die sozusagen irreguläre Verwendung des Computers als Instrument für organisierte Zufallsoperationen, die in Malerei umgesetzt oder ihr anverwandelt werden. Sondern mir scheinen vielmehr noch die bildnerischen Ansatzpunkte in der Planung seiner Arbeit irregulär zu sein. Diese Planung entwickelt zunächst konsequent einen reinen Dualismus von Form und Farbe, wobei Form weniger Form im Bild als Form des Bildes ist, in der der Farbe wiederum Raum zu unmittelbarer Entfaltung gegeben wird. Mit beidem, Form und Farbe, wird ein doppelbödiges Spiel betrieben. So suggeriert die Form – des Bildes oder des Bildträgers – bisweilen Vertrautheit mit Chiffren kindlicher Ausdruckswelt („Dies ist das Haus vom Nikolaus" oder „Schiffchen") und Iöst zugleich Unsicherheit aus, da man doch gewöhnt ist, Malerei – und diese Bilder wollen wirklich nichts als Malerei sein – viereckig und gar gerahmt zu sehen...

Nichtsdestoweniger präsentiert sich diese Malerei doch noch als Tafelbild und nimmt uns gleichwohl die Möglichkeit, durchs Fenster (wie Huneke es nennt) in unsere eigenen, durch Form und Farbe belebten Erinnerungsmuster zu schauen. Auch keine reine Farbfeldmalerei wird hier geboten, zu konkret ist die Begrenzung des Bildes, sein „irregulärer Rahmen" unterdrückt jegliche illusionistische „Imagination". Umsomehr gewinnt die Farbe in ihrer materialen Unmittelbarkeit, wird zum reinen und ungebundenen Ausdrucksmittel. Ihre bisweilen spielerische Strukturierung verweist auf die Wechselbeziehung zwischen Farbstruktur und archetypischer Anspielung der Bildidee.

In anderen Bildern, strengeren, wie den beiden Labyrinthen, wird Farbe elementar eingesetzt, als Klangfläche, in weicher und differenzierter Schattierung, die die Härte der konstruktiven Form zu mildern sucht: Ein Quadrat im Quadrat, ausgeschnitten und in der Mitte des Bildes befindlich, gibt den Blick frei auf den eigentlichen Bildträger der Arbeiten Klaus Hunekes: auf die Wand. So grenzen diese Bilder sich nicht, wie beim viereckigen, gerahmten Tafelbild, gegen die Wand als bloße Hintergrundkulisse ab, sondern beziehen die Wand als Bildraum in die Realität des Bildes mit ein. Durch diese Einbeziehung bekommen die Bilder wiederum Objektcharakter, dem sie sich aufgrund ihrer Zweidimensionalität und ihrer unverhohlen malerischen Gestik dennoch verweigern.

Hier wird mit spielerischem Ernst ein ernstes Spiel betrieben, der Betrachter durch verschiedene Bewußtseins- und Wahrnehmungsebenen geführt, die beziehungsreich und voller ironischer Anspielungen zueinander stehen, vertraut sind und doch irritieren. Ernüchternd bleibt zuletzt die Feststellung, vom Maler durchaus beabsichtigt, daß nicht mehr sein soll als ist, nämlich Farbe auf leinwandkaschierter Span- oder Tischlerplatte, als profane Realität, auf die der Betrachter zurückverwiesen werden soll. Darin steckt, bei aller Ferne des Vergleichs, noch ein Stück „hommage à Magritte", und wenn Sie z.B. auf die beiden im ehemaligen Altarraum angebrachten „Hüte" schauen: „Ceci n'est pas un chapeau".


(Thomas Lefeldt ist bildender Künstler und Musiker)

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